Nazis attackieren Jugendliche - Staatsschutz tritt nach
Nachdem in der Nacht vom 05. auf den 06.10. zwei Mitglieder der Neonazigruppierung »Voice of Anger« drei Menschen mit Springmessern (»Ich schlitz euch auf!«) attackierten, dringen der Memminger und Kemptner Staatsschutz in Wohn- und Geschäftsräume ein und entwenden Datenträger, Computer und Dokumente. Allerdings nicht wie zu erwarten wäre bei Mitgliedern der gewalttätigen Skinheadgruppierung sondern bei Menschen, die sich aktiv gegen Rassismus und Neonazis im Allgäu wenden.
»Mit dieser Schikane beeinträchtigen die Beamten massiv unser gesellschaftliches Engagement gegen Neonazis und deren Ideologiebestandteile und werfen uns in unserer Arbeit zurück.«, meint eine der betroffenen Aktivist_innen vom Antirassistischen Jugendaktionsbüro zur Durchsuchung am Donnerstag Nachmittag, den 02.01.2014 in den Räumen des react!OR. Über derartige Maßnahmen gegen die Neonazis, deren Umfeld der Polizei offenbar klar ist, ist nichts bekannt. Doch einschüchtern ließen die Aktivist_innen sich nicht, verschiedene Rechtsmittel seien anhängig oder in Vorbereitung, die Durchsuchungen rechtswidrig. »Das Eindringen in Redaktionsräume und die Durchsuchung von Pressevertretern stellt einen erheblichen und unzulässigen Eingriff in die Pressefreiheit dar. Gerade dann, wenn das Ziel der Maßnahme die Aufdeckung der Quellen der Durchsuchten ist«, präzisiert Sebastian Lipp, gegen den der Durchsuchungsbeschluss ausgestellt ist, der die Auffindung von Tatzeugen als Motiv formuliert. Dies sollte über eine Aufzeichnung eines Redebeitrages, der am 18.10.2013 auf der vom Antirassistischen Jugendaktionsbüro veranstalteten Demonstration anlässlich des tödlichen Naziübergriffes im Juli vergangenen Jahres am Tänzelfest gelingen. In dem möglicherweise von den am 05./06.10. angegriffenen Jugendlichen gehaltenen Redebeitrag wurde die Messerattacke geschildert, die zum Anlass der Hausdurchsuchung genommen wurde. Wohl um einer Identifizierung durch die offensichtlich gewalttätigen Neonazis zu entgehen, wurde diese Rede anonym gehalten. »Dass Menschen, die zum Schutz vor Neonaziübergriffen anonym bleiben möchten nicht der Justiz ausgeliefert und damit in einer Gerichtsverhandlung zu einer Aussage und Preisgabe ihrer Identität und Anschrift den Angreifern gegenüber gezwungen werden, versteht sich von selbst und wenn es sich um den presserechtlich bedeutenden Schutz von Informanten handelt gleich doppelt.«
Der für die Vermittlungen verantwortliche Kriminalhauptkommissar Glaser kann das offenbar nicht verstehen. »Wenn Sie das schon von anderen einfordern, zeigen Sie doch selbst Rückgrat gegen Rechts«, so soll er während der Durchsuchung eine Nennung seiner Zeugen gefordert haben. Die Durchsuchung hätten sich die Betroffenen selbst eingehandelt. - Weil sie ihre Rechte wahrgenommen haben und darauf verzichteten, der polizeilichen Zeugenvorladung nachzukommen. Sogar an Dokumenten der betroffenen Projekte - unter anderem Finanz- und Mitgliederdaten des Trägervereins - hat sich der Staatsschützer umfangreich bedient. Wie ihm das bei der Aufklärung der Vorfälle vom 05./06.10. helfen soll, konnte er nicht beantworten.
»Wir verurteilen dieses Vorgehen aufs schärfste und wehren uns öffentlich und juristisch gegen diese grobe Behinderung unserer Arbeit. Mittlerweile konnten wir einen Teil unserer Infrastruktur erneuern und sind dank zahlreicher solidarischer Unterstützungen wieder handlungsfähig. Unser Kampf gegen Rechts geht weiter auch wenn wir dabei Rückgrat nicht nur gegen Neonazis sondern auch gegen die Maßnahmen mancher Beamter beweisen müssen.«