Remembering means fighting - Demonstration gegen Nazis und ihre Umtriebe
Im April 2015 jährt sich zum 7. Mal der Todestag von Peter Siebert, der in seiner Wohnung in Memmingen von seinem Nachbarn dem Neonazi Alexander B. niedergestochen wurde. Am Samstag den 25. April 2015 wollen wir im Rahmen einer Demonstration in Memmingen (Allgäu) Peter Siebert und allen anderen Opfern, die durch rechte Gewalt sterben mussten, gedenken. Gleichzeitig wollen wir die Thematik ins Bewusstsein bringen, die Verantwortlichen der Stadt Memmingen wachrütteln. Den Nazis vor Ort wollen wir aktiv entgegen treten und zeigen, was wir von ihnen und ihren Sympatisant_innen halten. Angesichts der jüngsten rassistischen Ausfälle und Anschläge ist es notwendig, eine breite Auseinandersetzung zu führen um und für eine Gesellschaft, die diese und andere Aus- und Abgrenzungen scharf zurück weist.
Demonstration für ein aktives Gedenken - gegen Nazis und Rassismus am 25.04.2015 in Memmingen
In der Nacht zum 26. April 2008 wird der 40-jährige Peter Siebert von seinem 22-jährigen Nachbarn, dem Neonazi Alexander B. in Memmingen erstochen. Zuvor hatte sich das Opfer (nicht zum ersten Mal) über den lauten Rechtsrock seines Nachbarn beschwert und diesem seine braune Gesinnung vorgeworfen. Im Laufe des Streits verfolgte Alexander B. seinen Nachbarn bis in dessen Wohnung und stach ihn dort mit einem Bajonett nieder.
Im Dezember 2008 wurde der Täter nach nur einem Prozesstag vom Landgericht Memmingen wegen Totschlags (!) zu acht Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Eine rechts motivierte Tat wurde von den Behörden damals nicht in Betracht gezogen. Erst zwei Jahre nach der Verurteilung räumte Manfred Mürbe, Vizepräsident des Landgericht Memmingen, ein, dass ein rechtsextremer Hintergrund »wahrscheinlich« sei. Trotzdem taucht der Fall Peter Siebert bis heute nicht in der offiziellen Statistik der Todesopfer rechter Gewalt auf.
Nicht in die offizielle Statistik aufgenommen wird vermutlich auch ein weiterer Fall tödlicher neonazistischer Gewalt aus dem Allgäu. Am 17. Juli 2013 wurde in Kaufbeuren der 34-jährige Spätaussiedler Konstantin M. vom wegen neonazistischer Gewalttaten einschlägig vorbestraften Falk H. erschlagen. Vorausgegangen sind der Tat rassistische Pöbeleien. Trotzdem all das unbestritten war, wollte der zuständige Richter nur eine »sinnlose Sauferei und Prügelei« sehen.
Genau diese Entpolitisierung und Bagatellisierung ist im Zusammenhang mit rechter Gewalt immer wieder zu beobachten. Sie trägt ihren Teil dazu bei, dass zwischen offiziellen Angaben (60) zu Todesopfern rechter Gewalt und den Statistiken nicht-staatlicher Stellen (184) eine erhebliche Differenz besteht.
Unerträglich ist auch die Entwicklung, dass sich zunehmend bürgerlicher rassistischer »Protest« zusammen mit Neonazis gegen Asylsuchende und Muslime formiert und artikuliert. Nachdem sich seit Monaten Aufmärsche und Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte häufen, konnte »Pegida« innerhalb kürzester Zeit 17.500 Menschen zu einer wöchentlichen Demonstration in Dresden mobilisieren, bundesweite Ableger entstanden und entstehen bereits auch in Bayern. Was sich vordergründig gegen eine herbeihalluzinierte »Islamisierung des Abendlandes« richtet, schürt und nutzt tatsächlich nur rassistische und nationalistische Reflexe.
Die Politik reagiert oft in vorauseilendem Gehorsam. Der Kemptener Oberbürgermeister etwa hat Angst vor einer Situation die kippt. Das gelte es zu verhindern, weshalb dann auch möglichst zügig abzuschieben sei, wo das eben ginge. Damit heizt er wieder an, was gerade die Gründung eines Helferkreises entschärfte. Angesichts einer neu zu eröffnenden Notunterkunft in Kempten phantasierten Anwohnende von »wegsprengen« und davon, sich ein Gewehr zu kaufen. Einer wünschte sich einen »kleinen Hitler«, nachdem der selbe Wunsch bereits mittels Hakenkreuz an die Asylunterkunft geschmiert wurde.
Ein solches Klima stützt die Täter, die zunehmend Flüchtlingsheime angreifen und sich so selbst für die Vollstrecker_innen eines vermeintlichen »Volkswillens« halten können. So ist etwa der Trend bei Brandanschlägen erschreckend: 2010 gab es zwei, dann drei, 2012 bereits zwölf, 20 im Jahr 2013 und schließlich bis zum 3. Quartal 2014 23 entsprechende Angriffe. Dazu kommen die derzeit jüngsten Brandlegungen auf bezugsfertige Unterkünfte im mittelfränkischen Vorra in der Nacht zum 12. Dezember.
Die Täter hinterließen Hakenkreuze und machten damit klar, dass es sich um Neonazis handelt. Solche gibt es auch im Allgäu. Der Großteil der örtlichen Szene ist Teil der Kameradschaft Voice of Anger (VoA). Die Gruppierung zählt mit ihren mindestens 80 Kern-Mitgliedern zu den größten aktiven Nazi-Kameradschaften in Bayern und ist bundesweit vernetzt. Weiter sind Kontakte zum internationalen und in Deutschland verbotenen Neonazinetzwerk »Blood & Honour« bekannt. Benjamin Einsiedler, ein Mitglied, ist verantwortlich für das Unternehmen »Oldschool Records«, das in Bad Grönenbach zwischen Memmingen und Kempten sitzt und in Laupheim ein eigenes Tonstudio betreibt. Unter anderem mit einer Demo haben wir bereits im letzten Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass hier Nazi-Musik produziert und vertrieben wird. Dazu gibt es passendes Merchandise in Form von Textilien und anderen Artikeln - darunter eindeutige Bezüge zum Nationalsozialismus wie »I love NS« oder »S-Staffel Black Division« als Aufdruck auf Klamotten. Ein Totenkopf der SS als Motiv war Anlass einer polizeilichen Hausdurchsuchung in der ersten Jahreshälfte 2014 bei der über 900 Straftaten des Betreibers Einsiedler festgestellt wurden. Entgegen der Meldung der Augsburger Allgemeine ist der Versand aber keineswegs »zerschlagen«, vielmehr geht alles weiter wie bisher. Seit der Durchsuchungsaktion wurden weitere Tonträger produziert.
Nicht zuletzt dieses Beispiel zeigt, dass die Verantwortung nicht an die Behörden abgeben werden kann, die höchstens dann erst eingreifen (können), wenn es bereits zu spät ist. Hier müssen wir selbst aktiv werden und den Faschist_innen und ihrem Umfeld zeigen, dass ihre Ideologie und ihre Taten nicht hingenommen werden.
Dazu gehört auch der ganz praktische Bruch mit den auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft verbreiteten Bestandteilen menschenfeindlicher Ideologien. Ansätze dafür sehen wir an vielen Orten. Regional beispielsweise in Memmingen, Ottobeuren und Kempten. Hier verhalten sich Menschen solidarisch zu Asylsuchenden, bieten ihnen Schutz und Unterstützung und stellen sich damit rassistischer Hetze ganz praktisch entgegen.
Daran wollen wir anknüpfen. Also lasst uns gemeinsam am 25. April in Memmingen auf die Straße gehen - Zum Gedenken an Peter Siebert, Konstantin M. und alle Opfer rechter Gewalt. Denn Erinnern heißt kämpfen - für eine offene, vielfältige und soziale Gesellschaft jenseits diskriminierender Ausschlüsse und Ausgrenzungen - für ein schönes Leben für alle - überall!